Bitte sprechen Sie über die Entsagung.
Sri Chinmoy: Von einem strikt spirituellen Blickpunkt aus betrachtet, ist es für einen innerlich strebenden Menschen nicht nötig, die sogenannte irdische Entsagung auszuüben. Wenn Entsagung bedeutet, die eigene Familie zu verlassen, wenn Entsagung bedeutet, sich weder um die Gesellschaft noch um die Menschheit zu kümmern, so muss ich dazu sagen, dass ganz gleich, wem wir heute entsagen, morgen jemand anderer oder etwas anderes in unserem Weg stehen wird. Heute mag unsere Familie das Hindernis sein, morgen werden es unsere Freunde sein, dann unser Land, dann die Welt. Bei dieser Art der Enthaltsamkeit gibt es kein Ende. Natürlich müssen wir im spirituellen Leben entsagen. Doch welcher Sache entsagen wir? Wir entsagen der Angst, dem Zweifel, der Unvollkommenheit, der Unwissenheit und dem Tod. Wir entsagen nicht den Menschen; wir entsagen den Qualitäten, die unserer Vereinigung mit dem Göttlichen im Wege stehen. Wenn wir das spirituelle Leben betreten, erhalten wir die Gelegenheit, diesen Qualitäten zu entsagen oder besser ausgedrückt, sie zu transformieren. Wenn jemand behauptet, er entsage der Welt, um Gott zu verwirklichen, so muss ich sagen, dass ihm ein Fehler unterläuft. Heute entsagt er der Welt, doch morgen wird er entdecken, dass der Gott, den er sucht, nirgendwo anders ist. Er befindet sich genau in dieser Welt. Was hält ihn davon ab, Gott in der Welt zu sehen? Seine eigene Einstellung. Um Gott in der Menschheit zu erkennen, muss er den Schleier der Unwissenheit, der sich zwischen ihm und der restlichen Welt befindet, entfernen. Sobald dieser Schleier fällt, gibt es nichts mehr, dem man entsagen müsste. Man sieht Gott, man fühlt Gott, man ist in Gott – hier und im Jenseits.