Sollte sich ein Mensch in die Einsamkeit zurückziehen und die Menschheit von sich weisen, um zu meditieren?
Sri Chinmoy: Die Menschheit ist ein Teil Gottes. Wie wollen wir das Göttliche erreichen, wenn wir die Menschheit beiseiteschieben? Wir müssen die Welt so annehmen, wie sie jetzt ist. Wie können wir etwas umwandeln, wenn wir es nicht annehmen? Wenn der Töpfer den Tonklumpen nicht berührt, wie kann er ihn dann zu einem Topf umformen? Wer meditiert, muss wie ein göttlicher Held inmitten der Menschheit handeln.
Die Menschheit ist zur Zeit sehr weit von der Vollkommenheit entfernt. Doch wir sind ebenfalls Teile dieser Menschheit. Wie können wir unsere Brüder und Schwestern, die unsere eigenen Glieder sind, verwerfen? Wenn wir das tun, werden wir nur unsere eigene Fähigkeit begrenzen, in der Welt wirksam zu handeln. Wir müssen die Menschheit ganz als unser eigen annehmen. Sobald wir einen Schritt weiter gekommen sind und andere inspirieren können, haben wir die Möglichkeit, dem Göttlichen in denjenigen zu dienen, die uns folgen.
Wir müssen der Welt ins Gesicht sehen und das Höchste in der Welt erkennen. Wir wollen nicht das Leben eines Menschen führen, der der Wirklichkeit zu entfliehen versucht. Wer entflieht? Derjenige, der sich fürchtet oder derjenige, der fühlt, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hat. Wir haben nichts Falsches getan, und wir müssen uns nicht vor der Welt um uns fürchten. Wenn wir uns vor der Welt fürchten, dann werden wir uns vor allem fürchten.
Gegenwärtig sehen wir eine riesige Welt der Unvollkommenheit um uns herum. Wir versuchen zu entfliehen, um uns selbst zu schützen. Dazu möchte ich sagen, dass unser eigener Verstand ein weit gefährlicherer Feind ist als unsere heutige Welt. Selbst wenn wir weggehen und in einer Höhle leben, können wir unserem Verstand nicht entkommen. Wir tragen unseren Verstand mit uns – einen Verstand, der voller Ängste, Eifersucht, Verwirrung, Zweifel, Furcht und anderer ungöttlicher Eigenschaften ist. Unser Verstand zwingt uns, im Schlachtfeld des Lebens zu bleiben. Wenn wir unseren Verstand nicht bezwingen, während wir auf der Erde leben, welchen Sinn hat es, nur unseren Körper aus der Alltagswelt herauszunehmen?
Wir müssen nicht in die Höhlen des Himalayas gehen, um zu meditieren. Wir müssen versuchen, das Gesicht der Welt durch die Hingabe an das Göttliche in der Menschheit zu verwandeln. Meditation ist keine Flucht. Meditation ist die Annahme des Lebens in seiner Ganzheit, in der Absicht, es für die höchste Manifestation der göttlichen Wahrheit hier auf der Erde umzuwandeln.
Es gibt Leute, die nur meditieren wollen. Sie wollen der Welt nichts geben. Das ist Egoismus. Dann gibt es auch Leute, die nur geben, aber nicht meditieren wollen. Das ist Dummheit. Wie wollen wir etwas geben, wenn wir nicht meditieren, wenn wir nichts besitzen? Es gibt viele Menschen auf der Welt, die bereit sind zu geben, doch was haben sie? Wir müssen zuerst unsere Rolle spielen. Zuerst müssen wir etwas erreichen, dann können wir es weitergeben. Auf diese Weise können wir Gott gefallen und die Menschheit erfüllen.